Hallo zusammen,
in meiner 14-seitigen Stellungnahme auf das kürzlich für mich erstellte Gutachten, habe ich sämtliche erläuterungsbedürftigen Punkte aufgeführt, die Erkrankungen mit den entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen exakt beschrieben.
Dann habe ich jeweils die "Feststellungen" des Gutachters, dass mir das Merkzeichen G nicht zusteht, den Funktionsbeeinträchtigungen hinzugefügt.
Das Sortieren der vom Gutachter aufgeführten Erkrankungen war schon ein erheblicher Arbeitsaufwand.
Es wurde vom Gutachter nicht gut durchschaubar Extremität für Extremität, HWS, BWS, LWS, Schultern, innere Erkrankungen, in einzelnen Abschnitten aufgeführt, sondern alles durcheinander geworfen, so dass man nach dem Lesen fast nicht mehr wusste, was "festgestellt" wurde. Ein Chaos, was bestimmt gewollt ist.
In meiner Stellungnahme habe ich das SG auch darauf hingewiesen, "dass es Gutachter gibt, die jährlich so viele Gutachten erstellen, dass sie praktisch an jedem Tag des Jahres ein oder zwei Gutachten anfertigen. Das dies nicht möglich ist, muss sogar jedem Laien klar sein."
"Solche stets ablehnenden Gutachten werden mit Textbausteinen erstellt. Außerdem werden die schriftlichen Ausführungen häufig einem Assistenten übertragen (wie in meinem Fall), der den Tendenzen seines Chefs eher folgt, als dem Schicksal eines Kranken."
"Möglicherweise wird auch der Gedanke, dass der Erkrankte nach einem ablehnenden Gutachten immerhin noch ein Gutachten nach § 109 SGG bei Gericht beantragen kann (wie auch in meinem Fall), das eigene Gewissen entlasten."
Auch wie oft gebetsmühlenmäßig darauf hingewiesen wird, dass mir das Merkzeichen G nicht zusteht, habe ich jeweils aufgeführt. Erst Diagnose, Funktionsbeeinträchtigung und dann die Bemerkung, dass es mir trotzdem nicht zusteht und was ich nach Meinudng des Gutachters alles noch kann.
Das Zitat: "...nach bestem Wissen und Gewissen... das Gutachten erstellt!"
Dann habe ich daraufhin bemerkt:
Nach den von mir in den letzten drei Jahren gemachten Erfahrungen mit medizinischen Gutachtern, ziehe ich in Erwägung, doch noch einen Rechtsbeistand zu bemühen, denn es darf nicht sein, dass mit erkrankten und behinderten Menschen so willkürlich wegen des zustehenden Merkzeichens G verfahren wird. Mittlerweile verstehe ich den Ausspruch: "Recht haben und Recht bekommen..."
"Die Richter selbst haben eine Meinungsabhängigkeit von den ihnen vorgelegten medizinischen Gutachten, denn ihr Spezialgebiet ist das Recht, dass der Mediziner die Medizin. Eigentlich sollte sich ein Richter auf neutrale, medizinische Gutachten verlassen können, um gerechte Urteile fällen zu können."
"Das schlimmste an der ganzen Begutachtung ist, dass es sich in vielen Fällen niemals um korrekte und nachvollziehbare Erklärungen seitens des medizinischen Gutachters in Bezug auf die Auswirkungen und Funktionsbeeinträchtigungen im alltäglichen Leben handelt."
"So liegt es leztendlich an den medizinischen Sachverständigen mit ihren oft falschen Interpretationen der Auswirkungen von Erkrankungen, ob ein Gerichtsverfahren rechtens ist, oder nach Unrecht verfahren wird. Der Richter ist nicht veranlasst, das medizinische Gutachten auf seine Richtigkeit zu überprüfen; wie denn auch, denn er hat Jura und nicht Medizin studiert."
Dann:
"WIDERSPRUCH gegen das Gutachten vom xx.xx...
Es erläutert dem Gericht in keiner Weise, wie mich die einzelnen, durch MRT, Röntgenaufnahmen, Gehanalyse etc. belegten Erkrankungen/Funktionsbeeinträchtigungen meiner gesamten Wirbelsäule, den Schultern, der Füße/Sprunggelenke und Kniegelenken, behindern."
"In diesem Zusammenhang verweise ich auf das
Urteil vom 16. April 2003 - Az: S 17 (12) SB 148/01
Zitat daraus:
"Die beispielhafte Aufzählung von Erkrankungen, die keinen Einzel-GdB von wenigstens 50 bedingen, aber dennoch zu einer erheblichen Gehbehinderung führen können, ist offensichtlich nicht abschließend. Auch kann ihr nicht entnommen werden, dass eine solche Erkrankung insbesondere der unteren Gliedmaßen zwingend einen Einzelgrad der Behinderung von wenigstens 40 bedingen muss, um zu einer erheblichen Gehbehinderung zu führen..."
"Denn dem Wortlaut der Vorschrift nach bezieht sich das letztgenannte Merkmal allein auf die arterielle Verschlusskrankheit, nicht aber auch auf die übrigen genannten Leiden.
Ein körperlicher Zustand, der sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkt im Sinne von Ziffer 30 Abs. 3 Satz 2 der Anhaltspunkte liegt im vorliegenden Fall jedoch vor.
Er besteht darin, dass der Kläger - wie besonders im Gutachten von D. anschaulich geschildert wird - dass er an erheblichen Einschränkungen beider unterer Extremitäten leidet.
Angesichts des hinzutretens einer Wirbelsäulenfehlhaltung erscheint nachvollziehbar, dass trotz der vergleichsweise niedrigen Einzelgrade der Behinderung das Gehvermögen des Klägers erheblich eingeschränkt ist, wie beispielsweise bei der Versteifung eines Hüftgelenkes.
Denn es kommt für eine Gleichstellung mit den in Ziffer 30 Abs. 3 der Anhaltspunkte genannten Regelbeispielen nicht auf die allgemeine Vergleichbarkeit der Auswirkungen der jeweiligen Gesundheitsstörungen an, wie sie sich letztendlich in der Höhe des GdB manifestiert.
Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Auswirkungen funktional im Hinblick auf die Fortbewegung gleichzuarten sind.
(Bundessozialgericht:
Urteil vom 12.02.1991 - 9 Rvs 11/95).
Weiterhin erscheint es der Kammer zumindest zweifelhaft, wenn der Beklagte - gerade in Fällen, wie dem vorliegenden - vornehmlich oder sogar ausschließlich auf Ziffer 30 Abs. 3 der Anhaltspunkte abstellt. Auch wenn die Kammer die Bedenken, die insbesondere das Sozialgericht Düsseldorf in neuer Zeit gegen die Verbindlichkeit der Anhaltspunkte vorgebracht hat, nicht zu teilen vermag, (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen, so bleibt doch festzustellen, dass die Anhaltspunkte im Rang unterhalb des formellen Gesetzes stehen.
(vgl. BSG-Urteil vom 09.04.1997 - 9 Rvs 4/95 m.w.N.)
Hieraus ergibt sich, dass sie bei Verstoß gegen höherrangiges Recht, also insbesondere gegen das SGB IX, nicht anzuwenden oder doch zumindest gesetzeskonform und somit restriktiv auszulegen sind.
(vgl. LSG NRW, Urteil vom 06.06.2002 - L 7 SB 193/00).
Wenn nun § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung lediglich davon abhängig macht, dass Wegstrecken, die überlicherweise im Ortsverkehr noch zu Fuß zurückgelegt werden, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich und andere zurückgelegt werden können, so darf die dort formell gesetzlich festgeschriebene Anspruchsvoraussetzung für den Nachteilsausgleich mit dem Merkzeichen G durch die Anhaltspunkte zwar näher konkretisiert, aber nicht wesentlich beschnitten werden.
Eine solche Konkretisierung erfahren die gesetzlichen Voraussetzungen in den Anhaltspunkten etwa dadurch, dass Ziffer 30 Absatz 3 Satz 1
in bestimmten Fällen die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches
ohne nähere Prüfung der tatsächlichden Gehfähigkeit anordnet."
"...Er hat sich - wie ebenfalls bereits dargelgt - daher nicht an die Klassifizierung der das Gehvermögen beeinträchtigenden Behinderung und dem hierdurch bedingten Einzel-GdB sondern vielmehr daran zu orientieren, in welchem Ausmaß eine oder mehrere Behinderungen die Gehfähigkeit des Betroffenen beschränken."
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Ausschlaggebend für die volle Kostenlast des Beklagten ist insofern, dass der Beklagte durch seine Ablehnung auch den begehrten Nachteilsausgleich Anlass zur Klage gegeben hat und durch die Zuvielforderung des Klägers Mehrkosten nicht entstanden sind.
LG
Eva