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richtungsweisendes Urteil für Zivilprozesse

seenixe

Super-Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
31 Aug. 2006
Beiträge
8,874
Ort
Berlin
Hallo,
das BGH hat folgenden Beschluss v.14.7.2009 VIII ZR 295/08 veröffentlicht:

Dem Antrag einer Partei auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen, auch wenn es das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör und führt im Rahmen des § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. (Das komplette Urteil ist im FAQ-Bereich zu finden.)

Leider gilt dies erst einmal nur für die Entscheidungen im Zivilrecht, aber ich glaube, es wird nicht allzu lange dauern, bis auch die Sozialgerichte diesem Grundsatz folgen müssen.

Aber in den Zivilverfahren zu Entschädigungen und bei privaten Unfallversicherungen wird man daran zukünftig nicht mehr vorbei kommen. Dies eröffnet völlig neue Möglichkeiten und dürfte dazu führen, dass mancher Gutachter zukünftig eventuell sehr "alt" aussieht.


Gruß von der Seenixe
 
Hallo seenixe,

Gott sei Dank hat das BSG schon in 2004 entschieden, dass der Kläger das Recht besitzt, den Gutachter zu seinem Gutachten ergänzend zu hören.

B 2 U 222/04 B
L 6 U 19/00 LSG Niedersachsen-Bremen
S 22 U 340/97 SG Hannover

12.04.2005

[SIZE=+1]BUNDESSOZIALGERICHT

BESCHLUSS [/SIZE]

in dem Rechtsstreit B

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 12. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Steege, die Richter Mütze und Dr. Becker sowie die ehrenamtlichen Richter Schneidinger und Hanel beschlossen:


Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Juni 2004 wird dieser Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.​
[SIZE=+1]Gründe:[/SIZE]


I.
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit (BK) Nr 2108 - Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule - nach der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) beim Kläger.

Dieser ist im Jahre 1953 geboren und war zumindest von April 1976 bis Mai 1996 wirbelsäulenbelastend als Zimmerer berufstätig. Anschließend war er zunächst arbeitsunfähig und ist mittlerweile arbeitslos. Aufgrund eines Antrags des Klägers vom September 1996 auf Anerkennung einer BK Nr 2108 zog die Beklagte ua ein Gutachten des Orthopäden Dr. O. und eine Stellungnahme der Chirurgin Dr. H. bei und lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 18. März 1997, Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1997). Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) ua weitere ärztliche Unterlagen beigezogen und ein Gutachten von Dr. S. eingeholt. Der Kläger hat zu diesem Gutachten verschiedene aus seiner Sicht aufklärungsbedürftige Punkte, zB zur Erstmanifestation seiner Wirbelsäulenerkrankung sowie zu deren röntgenologischen Beurteilung, formuliert und eine schriftliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen oder dessen Ladung zur mündlichen Verhandlung beantragt. Das SG ist diesem Antrag nicht nachgekommen, der Kläger hat ihn in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt und die Klage wurde abgewiesen (Urteil vom 25. Oktober 1999).

Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) den Beteiligten die anonymisierte Fassung eines Gutachtens von Dr. Sch. aus einem anderen Verfahren übersandt. Der Kläger hat unter Vorlage eines Fragenkatalogs erneut beantragt, den Sachverständigen Dr. S. ergänzend zu befragen sowie von Dr. Sch. eine Stellungnahme zur konkreten Befundinterpretation beim Kläger einzuholen. Er hat diese Anträge auch in seinem letzten, auf die Anhörungsmitteilung nach § 153 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) folgenden Schriftsatz an das LSG ausdrücklich aufrechterhalten. Das LSG ist dem nicht nachgekommen und hat mit Beschluss vom 14. Juni 2004 die Berufung mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen: Es könne dahingestellt bleiben, ob beim Kläger die so genannte arbeitstechnische Voraussetzung erfüllt sei. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung iS der BK Nr 2108 im Segment LWK 4/5 nehme der Senat trotz Zweifel zu Gunsten des Klägers an. Eine BK Nr 2108 könne nicht festgestellt werden, weil unter Berücksichtigung der Gutachten von Dr. O. und Dr. S. sowie der Stellungnahme von Dr. H. sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen lasse, dass diese Erkrankung durch die berufliche Tätigkeit des Klägers verursacht worden sei. Zur Feststellung einer BK Nr 2108 seien nach diesen ärztlichen Aussagen und dem Gutachten von Dr. Sch. dem Lebensalter vorauseilende Veränderungen auch in Gestalt so genannter belastungsadaptiver Reaktionen erforderlich. Solche lägen beim Kläger nach allen ärztlichen Aussagen nicht vor. Gegen eine berufliche Verursachung spreche auch die frühe Erstmanifestation der Wirbelsäulenbeschwerden im Jahre 1971. Es bestehe kein Anlass zur Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. S. und Dr. Sch. , da diese Gutachten für den Senat nicht erläuterungsbedürftig seien.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger ua als Verfahrensfehler Verstöße gegen §§ 103, 106, 116, 118 SGG iVm §§ 397, 402, 411 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes <GG>), weil seinen Anträgen auf ergänzende Befragung des Sachverständigen Dr. S. nicht nachgekommen worden sei.






II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Eine schlüssig gerügte Verletzung der §§ 103, 116, 118 SGG iVm §§ 397, 402 und 411 ZPO liegt vor und führt gemäß § 160a Abs 5, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG. Denn die Rüge des Klägers, das LSG sei seinem bis zur Entscheidung aufrecht erhaltenen Antrag, Dr. S. zur Erläuterung seines Gutachtens und zur Ausübung des Fragerechts durch den Kläger zur mündlichen Verhandlung zu laden, ist begründet.

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das Übergehen des Antrags eines Beteiligten auf ergänzende Befragung eines Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens (§§ 118 SGG, 411 Abs 3 ZPO) ist ein wesentlicher Verfahrensmangel, wenn der Beteiligte die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung schriftlich mitgeteilt hat und die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind. Denn in derartigen Fällen will der Beteiligte sein Fragerecht nach § 116 SGG, §§ 402, 397 ZPO als Ausfluss seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG ausüben (vgl BSG SozR Nr 160 zu § 162 SGG; SozR 3-1750 § 411 Nr 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil der Kläger sowohl im erstinstanzlichen, als auch im Berufungsverfahren rechtzeitig beantragt hat, Dr. S. ergänzend schriftlich zu befragen oder zur Erläuterung seines Gutachtens zur mündlichen Verhandlung zu laden. Die vom Kläger formulierten Fragen waren auch sachdienlich, weil es auf den Verlauf seiner Wirbelsäulenerkrankung im Vergleich zu seiner beruflichen Belastung und den Zeitpunkt der Erstmanifestation seiner Erkrankung für die Entscheidung des LSG angekommen ist.

Aus der Entscheidung des Senats vom 5. Mai 1998 (Az B 2 U 305/97 B unter Bezugnahme auf BSG SozR 1750 § 411 Nr 2), nach der der Antrag auf Anhörung eines Sachverständigen in der Berufungsinstanz verspätet ist, wenn das Gutachten im erstinstanzlichen Verfahren eingeholt wurde und dort von dem anwaltlich vertretenen Kläger kein entsprechender Antrag gestellt wurde, folgt nichts anderes. Denn der Kläger hat vorliegend schon im erstinstanzlichen Verfahren beantragt, Dr. S. zur Erläuterung seines Gutachtens zu befragen oder zu laden und diesen Antrag im Berufungsverfahren wiederholt. Dass der Kläger den Antrag im erstinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht wiederholt hat, ist unschädlich. Denn die vom Bundessozialgericht (BSG) zur Rüge eines Aufklärungsmangels nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entwickelten Grundsätze sind nicht auf das Verfahren vor dem SG zu übertragen, weil die zulässige Berufung eine volle zweite Tatsacheninstanz eröffnet (§ 157 SGG). Dass die Antragstellung vor dem LSG rechtzeitig erfolgte, ergibt sich schon daraus, dass die Akte, nachdem die Fragen an Dr. S. vom Kläger ausdrücklich formuliert worden waren, fast zwei Jahre unbearbeitet blieb (vgl Bl 208 ff sowie insbesondere Bl 217 bis 219 der Gerichtsakte) .

Die Entscheidung des LSG kann auf diesem Verfahrensmangel auch beruhen, weil es zu deren Begründung auch auf die aus seiner Sicht frühe Erstmanifestation der Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers abgestellt hat.

Auf die weiteren Rügen des Klägers kommt es für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht an. Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, ob für die Feststellung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als BK belastungsadaptive Reaktionen erforderlich sind, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Annahme eines derartigen Ausschlusskriteriums die Feststellung eines entsprechenden Erfahrungssatzes voraussetzt.

Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde den angefochtenen Beschluss aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG erfüllt sind. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.



Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.


Ich habe bei meinem SG ebenfall vor geraumer Zeit den Antrag gestellt, meine Gutachter ergänzend zu hören und habe einen Katalog von 44 Fragen übermittelt, da wegen meines schlechten Gesundheitszustandes eine mündliche Verhandlung damit die Vorladung der Gutachter nicht möglich ist.

Ich heute weiss ich nicht, ob mein SG den Fragenkatalog übermittelt hat, auch meine diesbezüglichen Anfragen wurden bisher nicht beantwortet. Wenn bis Weihnachten nichts passiert, werde ich wohl noch einmal Akteneinsicht nehmen müssen.

Gruß
tamtam
 
Hallo Tamtam,

vielen Dank für dieses Urteil und Deine Anmerkungen. In Deinem Urteil steht:
Eine schlüssig gerügte Verletzung der §§ 103, 116, 118 SGG iVm §§ 397, 402 und 411 ZPO liegt vor und führt gemäß § 160a Abs 5, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG. Denn die Rüge des Klägers, das LSG sei seinem bis zur Entscheidung aufrecht erhaltenen Antrag, Dr. S. zur Erläuterung seines Gutachtens und zur Ausübung des Fragerechts durch den Kläger zur mündlichen Verhandlung zu laden, ist begründet.
Dabei geht das BSG immer wieder davon aus, dass die Mängel oder Fragen bereits bei Beantragung der Anhörung formuliert sein müssen. Das Urteil des BGH geht aber viel weiter:
Es gesteht dem Kläger viel weitergehende Rechte ein:
Dem Antrag einer Partei auf Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens hat das Gericht grundsätzlich zu entsprechen, auch wenn es das schriftliche Gutachten für überzeugend hält und selbst keinen weiteren Erläuterungsbedarf sieht. Ein Verstoß gegen diese Pflicht verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör und führt im Rahmen des § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Aber vielleicht gibt es zukünftig eben genau diese Möglichkeit auch im SG-Verfahren. Es könnte genau sein, dass man bei der Befragung des Gutachters Widersprüche aufdeckt und genau dadurch eine Veränderung bei Gericht erreicht.

Gruß von der Seenixe
 
Hallo seenixe,

ich sehe das Urteil des BSG im gleichen Rang wie das Urteil des BGH, denn das BSG wertet es als Verfahrensfehler i.V § 116 SGG,

§ 116 SGG

[Teilnahme an Beweisterminen]
Die Beteiligten werden von allen Beweisaufnahmeterminen benachrichtigt und können der Beweisaufnahme beiwohnen. Sie können an Zeugen und Sachverständige sachdienliche Fragen richten lassen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.


wenn das Fachgericht die Fragen an den Gutachter grundsätzlich übergeht und als nicht notwendig ansieht. So ich wie ich es verstehe, sind die Entscheidungen der Fachgerichte immer zurück zuverweisen, wenn dem Antrag auf ergänzende Erläuterung -aus welchem Grund auch immer- nicht stattgegeben wird.

Und eine Befragung oder ergänzende Anhörung macht doch auch nur Sinn, wenn tatsächlich Fragen zum Vorverständnis, zur Beseitigung von Mißverständissen oder zur Verdeutlichung von Erkenntnisgrenzen gestellt werden.

Von daher ist jedem angeraten, die gerichtlich bestellten Gutachter eingehend zum Krankheitsbild, zu der vorangehenden Behandlung und zu den gutachterlichen Schlußfolgerungen zu befragen.

In den Beauftragung der gerichtlichen Gutachter sehe ich auch den gravierenden Vorteil dieses Rechts zur Befragung, denn das steht mir bei den Gutachtern im Verwaltungsverfahren nicht zu, weshalb ich es nach Kräften vermeide, die Gutachter der Gegenseite aufzusuchen.

Gruß
tamtam
 
Hier noch ein Beschluss des BSG :

Bundessozialgericht

Verspätete Ablehnung des Antrags auf Befragung des Sachverständigen

Das Recht eines Beteiligten, Fragen an einen Sachverständigen zu stellen, der ein schriftliches Gutachten erstattet hat, geht mit Ende der Instanz dann nicht verloren, wenn das Gericht dessen Antrag auf Befragung des Sachverständigen verfahrensfehlerhaft als verspätet abgelehnt hat.

BSG, Beschluss vom 24. 4. 2008 - B 9 SB 58/ 07 B (Lexetius.com/2008,2148)
1
Gründe: Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat durch Beschluss vom 19. 7. 2007 die Auffassung des Beklagten und das erstinstanzliche Urteil bestätigt, wonach der Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin nur 70 beträgt und bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) nicht vorliegen. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
2
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Sie macht ua Verfahrensfehler geltend.
3
Die Beschwerde ist begründet.
4
Die Klägerin hat eine Verletzung ihres Fragerechts nach § 116 Abs 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) hinreichend bezeichnet. Die Rüge trifft auch zu. Das LSG hat zu Unrecht jedenfalls den Sachverständigen Prof. Dr. W. anders als von der Klägerin beantragt - nicht ergänzend befragt. Darin liegt ein Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann.
5
Unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, steht jedem Beteiligten gemäß § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BVerfG [Kammer] vom 3. 2. 1998 - 1 BvR 909/ 94 - NJW 1998, 2273 = juris RdNr 11; vgl auch BSG, Beschluss vom 12. 12. 2006 - B 13 R 427/ 06 B - juris RdNr 7). Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen nicht formuliert werden. Es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen, zB auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen. Einwendungen in diesem Sinne sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (§ 411 Abs 4 ZPO). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann. Da die Rüge der Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen letztlich eine Gehörsrüge darstellt, müssen zudem deren Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss der Beschwerdeführer alles getan haben, um eine Anhörung des Sachverständigen zu erreichen (vgl allg zu dieser Voraussetzung BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22). Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig den Antrag gestellt hat, einen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören, und dabei schriftlich Fragen in dem oben dargelegten Sinne angekündigt hat, die objektiv sachdienlich sind; liegen diese Voraussetzungen vor, muss das Gericht dem Antrag folgen, soweit er aufrechterhalten bleibt. Das gilt auch dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts ausreichend und überzeugend ist und keiner Erläuterung bedarf. Den genannten Anforderungen an die Bemühung des Beteiligten um rechtliches Gehör ist hier genügt.
6
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren beantragt, den Sachverständigen Prof. Dr. W. zur Erläuterung seines - erstinstanzlich erstatteten - schriftlichen Gutachtens vom 3. 5. 2004 zur mündlichen Verhandlung zu laden. Sie hat sich dabei auf einen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29. 9. 2004 bezogen, mit dem sie schon dort die Anhörung des Sachverständigen beantragt hatte, damit er Widersprüche zwischen seiner GdB-Bewertung des Restless-legs-Syndroms und einem - höheren - Bewertungsvorschlag in der Literatur (Benes, MedSach 96 [2000], 120, 124) erläutere.
7
Die Klägerin hat diesen Antrag rechtzeitig (in der Berufungsbegründung vom 25. 8. 2005) gestellt und ihn mit Schreiben vom 12. 7. 2007 aufrechterhalten, nachdem ihr das LSG mitgeteilt hatte, durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG entscheiden zu wollen.
8
Die angekündigte Frage ist - wovon auch das LSG ausgegangen ist - sachdienlich. Sie hält sich im Rahmen des Beweisthemas (Einschätzung des GdB), ist nicht abwegig und nicht bereits eindeutig beantwortet.
9
Das Recht der Klägerin, an den erstinstanzlich tätig gewordenen Sachverständigen noch im Berufungsverfahren Fragen zu stellen, entfällt auch nicht deshalb, weil das Fragerecht grundsätzlich nur innerhalb des Rechtszuges besteht, in dem das Gutachten eingeholt worden ist. Außer in dem von der Rechtsprechung entschiedenen Fall (Vorliegen der Voraussetzungen nach § 411 Abs 3 ZPO; vgl dazu BSG, Beschlüsse vom 3. 3. 1999 - B 9 VJ 1/ 98 B - SGb 2000, 269 und vom 12. 12. 2006 - B 13 R 427/ 06 B - juris) geht das Fragerecht mit Ende der Instanz, in der das schriftliche Gutachten erstattet worden ist, auch dann nicht verloren, wenn es dort verfahrensfehlerhaft mit der Begründung unberücksichtigt geblieben ist, es sei verspätet oder missbräuchlich geltend gemacht worden. So liegt es hier.
10
Missbrauch ist der Klägerin nicht vorgeworfen worden; schuldhaft verspätet hat die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag vom 29. 9. 2004 nicht gestellt; insbesondere hat sie keine vom Gericht gesetzte Frist versäumt. Denn das Sozialgericht (SG) hatte ihr auf ihre Ankündigung vom 19. 7. 2004, wegen des Gutachtens von Prof. Dr. W. noch gesondert vortragen zu wollen, dafür keine Terminvorgaben gemacht. Auch nach Einschätzung des SG war der Antrag vom 29. 9. 2004 zunächst offenbar nicht verspätet. Denn es hat der Klägerin am 30. 9. 2004 mitgeteilt, ihre Einwände gegen das Gutachten von Prof. Dr. W. sollten in der mündlichen Verhandlung am 19. 10. 2004 eingehend erörtert werden; derzeitig werde noch kein Bedarf gesehen, den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden. Danach wollte das SG zunächst das Ergebnis der mündlichen Verhandlung abwarten, um dann zu entscheiden, ob einem etwa aufrechterhaltenen Antrag der Klägerin zu folgen sein würde. Nachdem die Klägerin am 6. 10. 2004 auf ihr aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgendes Fragerecht hingewiesen hatte, hat das SG am 7. 10. 2004 von dem Sachverständigen auf Nachfrage erfahren, dass er am Sitzungstag verhindert sei. Erst im Urteil hat es dann den - in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Antrag - als verspätet bezeichnet.
11
Auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel kann die Entscheidung des LSG beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. nach dessen Anhörung zu von der Klägerin gestellten Fragen anders gewürdigt und weitere Sachaufklärung für notwendig gehalten hätte oder unmittelbar zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gekommen wäre.
12
Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen. Davon macht der Senat hier Gebrauch, weil aus den eben genannten Gründen auch ein Revisionsverfahren zur Zurückverweisung führen müsste und grundsätzlich bedeutsame Fragen dort voraussichtlich nicht - mehr - zu klären wären. Das gilt insbesondere für die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage, ob die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" trotz fehlender Legitimationsgrundlage weiterhin gelten (vgl dazu BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 15). Es gilt ebenso für die von der Klägerin gestellte Frage, ob es - verfassungsrechtlich - zulässig ist, dass § 2 Abs 1 SGB IX nur solche Gesundheitsstörungen berücksichtigt, die von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass Gesundheitsstörungen der Klägerin unter diesem Gesichtspunkt bei der GdB-Einschätzung außer Acht geblieben oder nur teilweise berücksichtigt worden sind.
13
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
 
Hallo Seenixe,

warum durfte das LG meinen PGA zum Zeugen der Begutachtung dekratieren?

Prof.W. Uni M. nach Pensionierung, OFI Angehöriger, wurde unrasiert und fehlbekleidet,
behandelt wie ein rohes Ei! Er hat zwar im Nachhinein an den Fachmann( 25000) OP-s
in 10 Jahren übergeben, fängt dann aber wieder an mit einem ausgeleiertem Schlüpfer-
gummi und vortäuschem einer Leistung obwohl der Vorschaden längst bekannt sein muß,
stimmt der Alterstudie aber wieder zu!

Hilfe

Fritzi
 
Hallo Fritzi,

ich kann gut Deinen Unmut verstehen und nachvollziehen. Warte erst einmal das Urteil und die Begründung ab.
Glaube mir, die machen auch Fehler!

MfG.
Pit
 
Hallo Pit,

ich hoffe du hast Recht! Komme mir vor wie ein Idiot! Vorgeladen, 9 Std. abgefahren,

und nicht angehört worden, das hebt

Fritzi
 
An Alle,

wie sieht es dann aus, wenn das Landgericht einen Gerichtsgutachter(Verkehrsgutachten) bestellt hat und ich zusätzlich einen Gutachter(Verkehrsgutachter) beauftrage, also ein Privatgutachten in Auftrag gebe und ich beantrage, dass der Privatgutachter vor Gericht gehört wird, kann dann das Gericht diesen ablehnen?
So war es nämlich bei mir, der Richter sagte, der Privatgutachter hätte nicht das Recht vor Gericht auszusagen, das sei so im Zivilrecht nich vorgesehen.
Im Anschluss, also als es zur Urteilsverkündung kommen sollte, sagte der Richter das Verkehrsgutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei gleich mit dem des Privatgutachters!
Grüße Berichter
 
Hallo Berichter,

mein PGA wurde zum Gutachterzeugen runtergestuft, obwohl er als GA geladen war

Fritzi
 
Hallo Fritzi,
da hast Du noch Glück gehabt, dass er wenigstens als Gutachterzeuge geladen wurde, meiner wurde erst gar nicht geladen, anschließend behauptete dann der Richter beide Gutachten seien gleich.
Aber jetzt werde ich Nichtzulassungsbeschwerde der Revision beim BGH einreichen. Der BGH-Rechtsanwalt hat schon die Sache in der Hand,
ich hoffe, Ihm fällt diese Geschichte auch auf.
Heute hat der ARAG die Kostenübernahme bestätigt.
Also auf ein Neues, nach dem Motto" wer zuletzt lacht am Besten".
Grüße Berichter
 
hi, berichter,

viel, viel glück.
möchte auch an deinem lachen bischen beteiligt sein.
lg
pussi
 
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