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Schmerzensgeld darf nicht auf Sozialhilfeleistungen angerechnet werden

seenixe

Super-Moderator
Mitarbeiter
Registriert seit
31 Aug. 2006
Beiträge
8,877
Ort
Berlin
Hallo,

leider habe ich noch nicht das Urteil dazu gefunden, aber mit dem Aktenzeichen sollte da schon eine Nutzung möglich sein. :)

SG KARLSRUHE vom 27.01.2010, S 4 SO 1302/09

SG Karlsruhe: Schmerzensgeld darf nicht auf Sozialhilfeleistungen angerechnet werden
Entschädigungszahlung hat keinen Versorgungscharakter und dient nicht zur Deckung des Lebensunterhalts

Schmerzensgeld und daraus resultierende Erträge bleiben bei der Berechnung von Sozialhilfeleistungen regelmäßig anrechnungsfrei. Dies entschied das Sozialgericht Karlsruhe.

Im zugrunde liegenden Streitfall erlitt der 38jährige schwerbehinderte Kläger als 19jähriger einen schweren Autounfall (Schädelhirntrauma, hirnorganische Wesensveränderung). Vom Versicherer des Schädigers erhielt er 1995 eine aus Schadensersatz und Schmerzensgeld (ca. 50.000 Euro) bestehende Abfindungszahlung in Höhe von insgesamt ca. 220.000 Euro. Davon lebte er. Im April 2008 machte sein Vermögen noch knapp 30.000 Euro aus. Als voll erwerbsgeminderte Person ohne Arbeits- oder Renteneinkommen beantragte er beim beklagten Sozialhilfeträger nunmehr Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Der Sozialhilfeträger lehnte den Antrag unter Hinweis auf noch vorhandenes Vermögen ab.
Schmerzensgeld soll Ausgleich für entgangene Lebensfreude ermöglichen

Das Sozialgericht Karlsruhe hat den angefochtenen Ablehnungsbescheid aufgehoben und den Sozialhilfeträger verurteilt, dem Kläger laufende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ohne Anrechnung des 1995 erlangten Schmerzensgeldes zu gewähren. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, Schmerzensgeld werde im Fall der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung wegen eines Schadens gewährt, der nicht Vermögensschaden ist (so genannter immaterieller Schaden). Der Verletzte solle dadurch zum einen in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde; ihm solle also Ausgleich für entgangene Lebensfreude ermöglicht werden. Zum anderen habe das Schmerzensgeld auch Genugtuungsfunktion. Es habe keinen Versorgungscharakter und diene nicht zur Deckung des Lebensunterhalts. Das Schmerzensgeld und etwaige Erträge daraus seien dem entsprechend eine Leistung, die in der Sozialhilfe regelmäßig anrechnungsfrei bleiben müssten.
Im Zweifelsfall muss von vorrangigem Verbrauch des anrechnungspflichtigen Schadenersatzvermögens ausgegangen werden

Der Nachweis von Vermögen aus Schmerzensgeld bei gemischter Schmerzensgeld- und Schadenersatzzahlung obliege zwar grundsätzlich dem Vermögensinhaber. Die Anforderungen an die Nachweisführungen seien aber einzelfallabhängig. Sei ein sozialrechtlich nicht beratener Vermögensinhaber - wie der Kläger - etwa aus gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage gewesen, die Notwendigkeit einer getrennten Vermögensanlage in anrechnungsfreies Schmerzensgeld und anrechnungspflichtigen Schadenersatz überhaupt zu erkennen, so dürfe ihm dies nicht Jahre später anspruchsausschließend vorgehalten werden. Im Zweifel sei in solch atypischen Fallkonstellationen vom vorrangigen Verbrauch des anrechnungspflichtigen Schadenersatzvermögens auszugehen.


Gruß von der Seenixe
 
Hallo,

Urteil (SG KARLSRUHE vom 27.01.2010, S 4 SO 1302/09) im Anhang.


Hinweis zur Rechtslage:

§ 11 Abs 3 SGB II hat folgenden Wortlaut:

Nicht als Einkommen sind zu berücksichtigen


1. Einnahmen, soweit sie als
a) zweckbestimmte Einnahmen
b) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.
2. Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden.

Das gilt auch für Erträge aus Schmerzensgeldzahlungen;)

Das Schmerzensgeld wird gemäß § 253 Abs. 2 BGB im Fall der Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung wegen eines Schadens gewährt, der nicht Vermögensschaden ist (sogenannter immaterieller Schaden).

Der Verletzte soll dadurch zum einen in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und andere Annehmlichkeiten anstelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde; ihm soll also Ausgleich für entgangene Lebensfreude ermöglicht werden. Zum anderen hat das Schmerzensgeld auch Genugtuungsfunktion.

Es hat damit keinen Versorgungscharakter und soll nicht zur Deckung des Lebensunterhalts dienen, sondern dem Verletzten gerade Annehmlichkeiten über seinen Grundbedarf hinaus verschaffen. Dementsprechend ist das Schmerzensgeld auch in seiner ganzen noch vorhandenen Höhe geschützt und nicht nur in einem bestimmten festen oder prozentualen Anteil.

Grüße

Siegfried21
 

Anhänge

  • S 4 SO 1302-09 .pdf
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