Hallo Aramis,
aus "Der medizinische Sachverständige":
Die Frage, ob und inwieweit medizinische Gutachten urheberrechtlich geschützt sind, ist in Rechtsprechung und Wissenschaft weitgehend unerörtert. Gleichwohl ist sie von erheblichem praktischem Interesse, weil viele Sozialleistungsberechtigte Einsicht in Gutachten nehmen möchten, um Ansprüche gegen Dritte – in der Regel Privatversicherer – geltend zu machen. Der wissenschaftliche Inhalt muss frei und jedermann zugänglich sein. Einen inhaltlichen Schutz kann es deshalb von vorn herein nicht geben. Zur Beurteilung der urheberrechtlich ausschlaggebenden Individualität kann damit nur auf die Form des wissenschaftlichen Werkes – Umstände der Sammlung, Einteilung, Gliederung und Verarbeitung des Materials – zurückgegriffen werden. Nur wenn ein Werk insoweit das „alltägliche Maß“ deutlich überragt, ist es schutzfähig.
Medizinische Gutachten erfüllen diese Voraussetzung in der Regel nicht. Auch in freier Form erstattete Gutachten folgen einer vorgegebenen Form und Darstellung. Die hier tiefer gehende Auseinandersetzung mit den relevanten Fragen ist hervorragende wissenschaftliche Arbeit, aber Ausdruck der allgemein in Deutschland erreichten hohen Qualität medizinischen Fachwissens. Insofern ist eine Einzelfallbeurteilung in aller Regel keine aus der Vielzahl der Gutachten besonders herausragende Leistung der Wissenschaft. Ausnahmen können etwa Gutachten zur erstmaligen grundlegenden Klärung höchst komplexer Sachverhalte mit erheblicher Breitenwirkung – z. B. Zusammenhangsfragen bei Erkrankungen im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII – sein.
Die Übermittlung eines für eine Behörde oder ein Gericht gefertigten Gutachtens an die üblicherweise in Betracht kommenden privaten Empfänger ist zulässig und sinnvoll, wenn sie auf ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen erfolgt. Sie erleichtert die teils staatlich geförderte private Absicherung gegen Lebensrisiken. Auch die Weitergabe an einen anderen Sachverständigen zur Überprüfung, Forschung oder Qualitätssicherung ist möglich, wenn sie im Rahmen gesetzlicher Befugnisse oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten erfolgt. Der Datenschutz und die Zweckbestimmung des Gutachtens ziehen hinreichend enge Grenzen, um eine missbräuchliche Verwendung weitgehend auszuschließen.
Ich persönlich habe bisher alle gerichtlich eingeholten Gutachten in andere Prozess eingeführt, da es ein Gesundheitszeugnis ist und damit eine Beweisurkunde. Im 17. Jahr meiner Prozesskarriere hat bisher auch noch kein Gutachter Ansprüche aus seiner geistig-schöpferischen Abreist geltend gemacht...
Gruß
tamtam